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Geothermie

Welchen Beitrag kann die Wärme unserer Erde zu unserer Energieversorgung liefern?

Von Eberhard Waffenschmidt, 13.6.2006

Unsere Erde ist ein fragiler Planet. Eigentlich besteht er nur zu einem kleinen Teil aus fester Erdmasse, die wie Eisschollen auf einem Kern aus flüssiger, heißer Magma treiben. Wie Bild 1 zeigt, schlummert tief unter unseren Füßen mit dem flüssigen über 1000 C heißen Magmakern eine Wärmemasse, von der ein Bruchteil dazu ausreichen würde, dass wir nie wieder kalte Füße bekämen. Könnten wir diesen für menschliche Vorstellung unerschöpflichen Energievorrat der Geothermie nutzen, hätten wir eine zuverlässige, regelmäßige und konstante Energiequelle, die uns Tag und Nacht, Sommers wie Winters zur Verfügung stünde.

In manchen Gegenden der Welt tritt diese Kraft unmittelbar zu Tage und kann bequem genutzt werden. Island, beispielsweise, kann nahezu seinen gesamten Energiebedarf aus Geothermie decken und sogar energieintensive Industrien wie die Aluminiumherstellung davon unterhalten. Aber wie sehen heutzutage und in naher Zukunft die technischen Möglichkeiten aus, dieses Potential auch bei uns zu nutzen? Hinweise zur Beantwortung finden sich in einem Sachstandsbereicht des Deutschen Bundestages aus dem Jahre 2003 [1], dessen Inhalt die Grundlage dieses Artikels ist. Im Schwerpunkt steht dabei die elektrische Energieerzeugung.


Bild 1: Schnitt durch unsere Erde (aus [2]).

Derjenige Leser, der im Geiste schon bei Wuppertal die flüssige Magma aus dem Bohrloch sprudeln sieht, muss leider enttäuscht werden. In unseren Gegenden ist die Erdkruste mit 30 km zu dick, als dass der Bereich des flüssigen Erdkerns mit heutigen technischen Mitteln erreicht werden könnte. Allerdings sind durchaus Tiefen erreichbar, in denen nutzbare Wärme zu gewinnen ist. Die Temperatur nimmt mit der Tiefe durchschnittlich etwa 3°C pro 100 m zu. Daraus ergeben sich für die Nutzung der Erdwärme in unseren Breiten grob drei Bereiche:

Oberer Bereich: Nahe der Oberfläche ist die Temperatur vergleichsweise gering. Einige Meter im Boden beträgt sie im Durchschnitt etwa 10°C. Das reicht nicht aus, direkt ein Haus zu heizen oder gar warmes Wasser zu erzeugen. In diesem Bereich ist daher nur eine passive Wärmenutzung möglich, indem man dem Erdreich mit Wärmepumpen Wärmeenergie entzieht. Ohne zusätzlichen Energieeinsatz kann hier keine Wärme gewonnen werden. Auch die Erzeugung elektrischer Energie ist nicht möglich.

Mittlerer Bereich: Im mittleren Tiefenbereich ab etwa 1000 m ist eine aktive Wärmenutzung möglich, da die Temperatur des Erdreiches dort 40°C übersteigt. Solche Temperaturen machen es möglich, direkt mit Erdwärme zu heizen oder warmes Brauchwasser zu erzeugen, ohne dass eine Wärmepumpe benötigt wird. Erzeugung elektrischer Energie ist zwar theoretisch möglich, aber durch den nur kleinen Temperaturunterschied zur Umgebung an der Oberfläche ist der Wirkungsgrad viel zu gering.

Unterer Bereich: Ab einer Temperatur von etwa 100°C ist die Erzeugung elektrischer Energie möglich. Dieser Bereich fängt je nach Gegend etwa bei 3000 m Tiefe an. Höhere Temperaturen von 120°C bis 140°C oder mehr sind allerdings erwünscht, denn mit der Temperatur steigt der Wirkungsgrad. Bis zu 7000 m ist es derzeit technisch möglich zu bohren.

Obwohl sich tief unter uns der flüssige, heiße Erdkern befindet, verbrennen wir uns nicht die Füße, denn das Gestein der Erdkruste ist ein schlechter Wärmeleiter. Daher beträgt der Wärmefluss aus dem Erdinneren zur Oberfläche nur 0.07 W/m². Zum Vergleich: Die Sonne liefert etwa 1000 W/m², also mehr als vier Größenordungen mehr Energie pro Fläche. Die Erdwärme dicht unter der Oberfläche stammt also fast ausschließlich von der Sonne. Trotzdem sind die tiefen Erdschichten nutzbar, denn die derzeit dort gespeicherte Energiemenge ist enorm. Ein Gesteinsblock von 1 km x 1 km mit 7 km Tiefe enthält etwa 10% des deutschen Jahreswärmebedarfs. Damit könnte der Energiebedarf an Strom und Wärme einer darüber liegenden Kleinstadt für Jahrhunderte gedeckt werden. In diesem Sinne steht eine Erdwärmenutzung tieferer Schichten in unseren Breiten immer für "lokalen Abbau" der gespeicherten Wärmeenergie. Geothermische Energie kann bei uns also nur in einem weiteren Sinne zu den regenerativen Energien gerechnet werden.

Insgesamt könnte man in Deutschland eine Energiemenge aus dem Boden holen, mit der sich eine Strommenge herstellen lässt, die dem 600fachen deutschen Jahresstrombedarf von ca. 2 EJ (Exa-Joule) entspricht, denn das technische Gesamtpotenzial zur geothermischen Stromerzeugung liegt bei ca. 1200 EJ (etwa 300 000 TWh). Das zusätzliche Potenzial an thermischer Energie (Wärme bei Kraft-Wärme-Kopplung) beträgt das 1,5fache bis 2,5fache des Strompotenzials. Verteilt auf 1000 Jahre, um Nachhaltigkeitsaspekten genüge zu tun, ließe sich etwa die Hälfte des deutschen Stromverbrauchs durch Geothermie erzeugen. Damit wäre in etwa der Grundlastanteil gedeckt.

Aus ökologischer Sicht, und vor allem auch aus Kostengründen, wäre jedoch eine Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) der Anlagen wünschenswert. Würde der gesamte Wärmebedarf Deutschlands durch geothermische KWK-Anlagen bereitgestellt (und nicht mehr), so würden diese Anlagen außer der Wärmeerzeugung mit 140 TWh/a rund 1/4 des deutschen Strombedarfs decken. Dazu sind jedoch Fernwärmenetze notwendig. Betrachtet man alle geothermischen Anlagen, die an bestehende Fernwärmenetze angeschlossen werden könnten, so ergäben sich lediglich 10 TWh/a, also etwa 2% der jährlichen Stromerzeugung in Deutschland. Je nach Sichtweise kann die Geothermie also einen großen oder einen fast vernachlässigbaren Beitrag zur deutschen Stromerzeugung liefern.

Die Nutzung der Erdwärme erfolgt typischerweise durch zwei Bohrlöcher, wobei eines etwas schräg angesetzt wird, so dass sie in der Tiefe einen gewissen Abstand von etlichen 100 m haben (siehe Bild 2). Durch das eine Loch wird kaltes Wasser hinuntergepumpt, und durch das andere steigt es als heißes Wasser wieder herauf. Dazu muss das heiße Gestein zwischen den Bohrlöchern wasserdurchlässig sein. Wasserführende Schichten ("Aquifere") sowie sogenannte "Störungszonen" sind das von Natur aus. Diese machen jedoch nur etwa 5% des technischen Potenzials aus. Der weitaus größte Teil besteht aus kristallinem Gestein ("Hot-Dry-Rock", HDR), das erst mit entsprechenden Verfahren für die Geothermie zugänglich gemacht muss. Durch hohen Wasserdruck oder Sprengungen werden dabei für das Wasser Kanäle geschaffen. Während die geothermische Nutzung von wasserführenden Schichten und Störungszonen heute beherrscht wird, steht die Nutzung der Hot-Dry-Rock-Gesteine noch am Anfang der technischen Entwicklung.


Bild 2: Typischer Aufbau eines geothermischen Kraftwerks [6] (Anklicken für höhere Auflösung).

Insgesamt steckt die technische Nutzung aktiver Erdwärme noch in den Kinderschuhen. Jedoch gibt es erste Beispiele für einen Aufbruch in der Branche:

In Aachen wird in Zukunft die neue Verwaltungszentrale der RWTH (für Insider: das sog. "Super-C") mit Geothermie beheizt werden [3]; eine Tiefenbohrung auf über 2500 m ist schon erfolgt.

Auch die Entwicklung bei der geothermischen Stromerzeugung steht noch am Anfang. Es gibt erste Projekte, wie beispielsweise in Neustadt-Glewe, Mecklenburg-Vorpommern, mit einer 250 kW-Anlage [4]. Ein weiteres Beispiel gibt es am Oberrhein, einer Gegend wo schon bei vergleichsweise geringen Tiefen hohe Temperaturen vorhanden sind. Bei Landau in der Oberpfalz wird zur Zeit ein geothermisches Kraftwerk errichtet, das ab 2007 mit einer Leistung 2 MW bis 2,5 MW Strom erzeugen soll [5].

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die Nutzung aktiver Geothermie zwar noch am Anfang steht, dass sie jedoch ein beachtenswertes Potenzial zur Energieversorgung in Deutschland hat.

Referenzen:

[1] H. Paschen, D. Oertel, R. Grünwald, "Möglichkeiten geothermischer Stromerzeugung in Deutschland - Sachstandsbericht", TAB-Arbeitsbericht, Deutscher Bundestag Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, A-Drs. 15(17)70, Feb. 2003.

[2] Geologischer Dienst NRW, Website: http://www.gd.nrw.de

[3] Link nicht mehr verügbar: http://www.superc.rwth-aachen.de/

[4] http://www.geothermie.de/ng-brossmann.pdf

[5] Geothermische Vereinigung e.V., http://www.energieportal24.de/artikel_1488.htm

[6] Aus: Wikipedia, Stichwort Geothermie: Picture taken with the friendly permission of Siemens Germany by Christian Kuhna, E-Mail: christian.kuhna@siemens.com. Copyright "Siemens Pressebild" http://www.siemens.com.


E. Waffenschmidt, 13.6.2006