Wird das EEG noch gebraucht?

3.8.2016, E. Waffenschmidt
Erneuerbare werden immer preiswerter, können immer häufiger mit konventionellem Strom konkurrieren. Eine wirksame Kohlendioxid-Steuer würde den Vorteil von Erneuerbaren weiter ausbauen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist verhunzt und eher ein Erneuerbare-Energien-Verhinderungsgesetz. Dann können wir es besser gleich streichen. Oder?

Tatsächlich können sich Erneuerbare Energien weltweit immer häufiger gegenüber konventionellen fossilen Energiequellen finanziell durchsetzen, wie ich vor einiger Zeit auch in meinem Artikel "Der Ölpreis und der Klimawandel" berichtet habe.

Dieser Unterschied würde noch deutlicher werden, wenn die Umweltfolgen von fossilen und nuklearen Kraftwerken mit einer entsprechenden Abgabe berücksichtigt würden. Viele Akteure, insbesondere der Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. (SFV), fordern eine solche wirksame Kohlendioxid (CO2) -Steuer. Das unterstütze ich unbedingt. Doch da drängt sich unmittelbar die Frage auf, ob es nicht an der Zeit ist, die Erneuerbaren diesem für sie so offensichtlich vorteilhaften Markt auszusetzen und auf das sowieso vermurkste EEG zu verzichten.

Unbestritten hat gerade das EEG den rasanten Ausbau der Erneuerbaren bewirkt. Aber auch wenn wir im letzten Jahr rund 1/3 des Strombedarfs mit Erneuerbaren decken konnten ist das bezogen auf den Gesamtenergieverbrauch vielleicht ein Zehntel. Wir sind noch lange nicht bei 100% Erneuerbaren angekommen, sondern stecken gerade noch am Anfang der Energiewende! Ich halte es daher noch für viel zu früh, jetzt auf das EEG zu verzichten, und ich halte es unabdingbar für einen beschleunigten Ausbau zu 100% Erneuerbaren Energien.

Für eine Bürger-Energiewende

Die Markt-Frage ist für mich unmittelbar verknüpft mit der Frage, welche Art von Energiewende wir eigentlich wollen: Eine dezentrale, von vielen Bürgern getragene und finanzierte Energiewende, oder eine Energiewende von wenigen großen Unternehmen, seine es alte oder neue Player.

Für mich sind die Vorteile einer Bürger-Energiewende klar:
- Sie wird am Ende preiswerter, denn Privatleute sind in der großen Mehrzahl mit weit weniger Profit zufrieden als große Unternehmen. Ein Gewinn von 3% ist da meist schon ausreichend, während sich Bereichsleiter in Großunternehmen rechtfertigen müssen, wenn der Profit nicht mindestens zweistellig ist.
- Es geht schneller, denn es wird zusätzliches Kapital von vielen Kleinanlegern aktiviert, das sonst auf der Bank liegen bliebe.
- Es geht schneller, weil durch eine Bürgerbeteiligung (im Sinne von finanzieller Beteiligung und Verantwortung) eine größere Zustimmung vor Ort erfolgt. Zeitaufwändige Einspruchsverfahren werden so vermieden.
- Es geht schneller, weil viel viel mehr Akteure parallel handeln können. Auch in der Computerbranche bestehen die schnellsten Rechner nicht aus einem riesengroßen Prozessor, sondern aus vielen parallel arbeitenden Prozessoren.

Wenn wir die Beschlüsse der Klimakonferenz von Paris ernst nehmen, müssen wir viel viel schneller handeln und alle Möglichkeiten ausschöpfen. Daher muss die Energiewende eine Bürger-Energiewende bleiben.

Unsicherer Markt

Im Übrigen ist für mich noch gar nicht endgültig klar, wie sich denn Marktpreise für Strom auch mit CO2-Steuer entwickeln würden. Selbst wenn Strom aus fossilen Kraftwerken deutlich teurer würde, heißt das noch lange nicht, dass erneuerbarer Strom Preise erzielt, bei denen alle Einspeiser mithalten können. Besitzer von Großflächen-PV-Anlagen oder Windanlagen können den Strom preiswerter anbieten als Mittelständler mit Dachanlagen. Wie sich die Strompreise entwickeln, wenn die ersten größeren Mengen an Anlagen aus der EEG-Vergütung fallen, kann auch noch keiner vorhersagen. Der allgemeine Energiehunger und der zukünftige Mangel an fossiler Einspeisung könnte im Gegenteil auch die Preise kräftig ansteigen lassen. Kurz: Im Markt kann alles geschehen, insbesondere vor dem Zeithintergrund von 10 bis 20 Jahren Investitionszeit.

Ein solches Investitionsrisiko werden einzelne aber nur ungern eingehen wollen. Hier würden vielmehr Großinvestoren einsteigen können, die durch Diversifizierung (also Investitionen in unterschiedliche Produkte) das Risiko verteilen können. Und welcher Betreiber einer privaten PV-Anlage wollte schon den Strommarkt im Auge behalten, um immer die besten Kunden zu finden? Er wäre dann auf Firmen angewiesen, welche den Strom von vielen kleinen Betreibern einsammeln und die Formalitäten für den Strom-Markt verwalten, sogenannte Aggregatoren (hat nicht mit "aggressiv" zu tun, sondern mit "aggregieren", ansammeln). Die würden dann natürlich auch daran verdienen wollen, was den Strom nicht preiswerter macht.

EEG für eine dezentrale Bürger-Energiewende

Das EEG bevorzugt eine dezentrale Bürger-Energiewende. Besinnen wir uns dazu einmal zurück auf die ursprüngliche Idee des EEGs, welches auf drei Säulen ruht: Kostendeckende Vergütung, Umlage der Kosten auf alle Energieverbraucher und Einspeisevorrang.

Kostendeckende, garantierte Vergütung

Die kostendeckende Vergütung hat maßgeblich zum Erfolg der bisherigen Bürger-Energiewende beigetragen. Ein nicht zu vernachlässigender Faktor ist hierbei die Garantie der Vergütung für zwanzig Jahre. Das gibt Sicherheit für die Investition und Bereitschaft für Kredite bei den Banken. Das ist wichtig, um die Energiewende auf eine breite Basis zu stellen. Die Investition in die eigene PV-Anlage oder Bürgerenergien muss so berechenbar sein, wie der Kauf eines Autos. Über die Höhe der Vergütung kann man sicherlich diskutieren, insbesondere vor dem Hintergrund einer möglichen Eigenversorgung. Aber eine solche Garantie sollte auch in der nächsten Zukunft erhalten bleiben.

Umlage auf Verbraucher

Die Umlage der Kosten auf alle Energieverbraucher ist in den letzten Jahren massiv erodiert worden, ohne jetzt auf die bekannten Details eingehen zu wollen. Trotzdem bleibt das Grundprinzip zutiefst fair und gerecht: Wer mehr Energie verbraucht, muss auch mehr bezahlen, und zwar möglichst direkt und ohne Umwege.

Daher sehe ich eine Umlagefinanzierung durch Steuermittel kritisch. Zu leicht könnte es da weitere ungünstige Einflussnahmen geben. Auch wenn die garantierten Vergütungen nicht zurückgedreht werden können, gibt doch die direkte Belastung des öffentlichen Haushaltes den Kritikern ein weiteres einfaches Gegenargument an die Hand um den Ausbau der Erneuerbaren herunter zu fahren.

Allerdings wird insbesondere die extra ausgewiesene EEG-Umlage massiv für Propaganda gegen das EEG genutzt. Da aber jetzt die Vergütung von neuerrichteten erneuerbaren Anlagen in der Größenordnung wie der allgemeine Strompreis liegt, gibt es für mich keinen Grund, diese weiterhin explizit auszuweisen. Wäre es nicht viel aufschlussreicher, würden die Stromversorger in ihren Rechnungen die jeweiligen Anteile der Einspeisung (Wind, PV, Bio, Kohle, Atomkraft) als jeweilige "Umlage" ausweisen? Dann würde man, sehen, wo das Geld bleibt. Ansonsten müssten Stromhändler das für Erneuerbare ausgegebene Geld so verrechnen, wie das für konventionellen Strom, und eben entsprechend in den Strompreis einspeisen. Das Grundprinzip der direkten Umlage auf die Verbraucher bleibt so erhalten.

Einspeisevorrang

Auch der Einspeisevorrang von erneuerbaren Energien wird immer mehr angegriffen. Dass dieser jedoch auch weiterhin seine Gültigkeit haben muss, sollte keine Diskussion wert sein. Allerdings sollte er nicht mit einer Einspeisegarantie verwechselt werden. Das Gleichgewicht zwischen Einspeisung und Strombedarf muss auch mit Erneuerbaren gewahrt bleiben. Hier werden Speicher benötigt, deren Förderung dringend notwendig für eine Massenmarkeinführung ist. Ob dies im Rahmen des EEG oder anderwertig erfolgen soll, kann durchaus diskutiert werden. Wenn wir tatsächlich in absehbarer Zeit Stunden mit mehr als 100% Erneuerbaren im Stromnetz haben und den Überschuss nicht speichern oder exportieren können, ist Abregelung durchaus akzeptabel. Aber erst, wenn vorher konventionelle Kraftwerke runtergefahren sind. Der Einspeisevorrang muss erhalten bleiben.

Fazit

Zusammengefasst, halte ich alle drei Säulen des EEG auch heute noch für notwendig und richtig. Aber damit meine ich ein EEG ohne bürokratische Hindernisse. Denn nur wenn die Errichtung einer Anlage ähnlich einfach ist wie in den Anfangsjahren, wird es wieder eine Breitenwirkung geben. Statt die Errungenschaften, die das EEG in seinen vielen Paragraphen auch enthält, aufzugeben, plädiere ich vielmehr dafür, dafür zu kämpfen dem EEG seine ursprüngliche Intention zurück zu geben. Back to the roots!

Quellen

Karrikatur: Gerhard Meester für SFV, https://www.sfv.de/artikel/karikaturen_zur_energiewende.htm


E.Waffenschmidt, erste Version 3.8.2016, mit Textänderungen vom 8.8.2016